Kapitel 1 – Rot, die Nacht – Teil 4

Langsam verging die Zeit, bis das Boarding für ihren Flug begann. Wie auch schon das Betreten des Flughafens war es hier viel entspannter als bei ihr zu Hause.
Schon einige Minuten vor dem Flug war sie zu dem einzigen Schalter an ihrem Terminal gegangen. Als am Display ihr Flug angezeigt wurde, kamen zwei junge Herren an den Schalter und begrüßten sie freundlich, scannten ihr Ticket und baten sie dann zum Flugzeug zu gehen. Eine elektrische Schiebetür öffnete sich von alleine, als sie sich ihr näherte. Bald stand sie auf dem Feld und sah wieder so eine Propellermaschine, wie auch schon auf dem Hinflug.
Gemütlich schlenderte sie zum Flugzeug und wurde auch hier wieder sehr freundlich von einer netten Stewardess begrüßt. Nach einem kurzen Blick auf ihr Ticket stellte sie fest, dass sich ihr Sitz in der letzten Reihe am Fenster befand. Jedes Mal freute sie sich darüber, wenn sie nicht am Gang sitzen musste und den Abflug besser beobachten konnte. Es dauerte auch nicht sehr lang bis die Stewardessen anfingen die Sicherheitsübungen zu zeigen. Auch wenn sie kein Wort verstand, fand sie es doch amüsant, dass es wirklich überall auf der Welt exakt dasselbe war. Noch während die Sicherheitsregeln erklärt wurden, fingen die Rotoren an sich zu drehen und das Flugzeug setzte sich in Bewegung um zum Flugfeld zu fahren.
Schnell verschwanden auch die Damen auf ihre Plätze und bevor sich Sœlve versah beschleunigte das Flugzeug und erhob sich auch schon in die Luft. Der Start war etwas rauher als bei anderen Flugzeugen, mit denen sie normalerweise flog, aber es machte ihr nichts aus.
Die Menschen und die Gebäude wurden rasch immer kleiner und sie sah begeistert zu, wie sie die Wolken durchbrachen. In dem Moment fühlte sie sich wohl und wusste, dass sie schon bald wieder bei Lilly und Mia sein würde.
Da der Flug sehr lange dauerte, fielen ihr irgendwann die Augen zu und sie flog ins Land der Träume.
Nach einiger Zeit wurde sie durch die freundliche Stewardess, die sie auch beim Einsteigen begrüßt hatte, sanft geweckt. Mit einem noch verträumten Blick sah sie in ein zierliches Gesicht, aus dem sie ein paar bernsteinfarbene Augen aufmerksam und leicht schelmisch beobachteten.
„Ich hoffe, dass Sie gut geschlafen haben – wir sind vor fünf Minuten gelandet.” In ihrer Stimme erklang jedes Wort wie ein fröhliches Lachen. Sœlve streckte sich und spürte wie ihre Arme und Beine, trotz der gemütlichen Sitze etwas steif geworden waren. Nach einem herzhaften Gähnen stand sie auf und bedankte sich noch einmal bei der jungen Frau fürs Wecken. Diese nickte ihr lächelnd zu und wandte sich von ihr ab. Als sich die Stewardess umdrehte, rutschte unversehens ein kleiner blaugefärbter Haarzopf heraus, der sich vorher unauffällig unter dem Kragen versteckt hatte.
Belustigt sah Sœlve ihr dabei zu, wie sie den Zopf blitzschnell verschwinden ließ und ihr seriöses Aussehen wieder herstellte. Hatte sie so etwas nicht schon einmal erlebt, fragte sie sich während sie langsam ausstieg. Es war bereits früher Abend und der Himmel hatte sich in ein zartes Rosa verwandelt. Bald würde die Nacht den Tag ablösen und auf das Morgengrauen warten.
In der Nähe des Flugzeugs parkte ein kleiner Shuttlebus, der wohl nur noch auf sie gewartet hatte. Nachdem sie eingestiegen war, fuhr er sofort los und brachte sie zu einem der Terminals und hielt direkt vor einer Tür, an der Sicherheitspersonal stand. Sœlve bemerkte sofort die schlechte Laune, die die Personen zu haben schienen. Erst mit dem zweiten Blick bemerkte sie die Maschinenpistolen, die diese um die Schultern gehängt hatten.
„Was geht denn hier ab?”, fragte sie sich selbst in Gedanken, als sie langsam an ihnen vorbei ging und etwas näher betrachtete. Sofort wurde sie von einem der Männer angefahren, dass sie sich gefälligst beeilen und hier nicht trödeln sollte. Daher folgte sie der Masse um zu den Gepäckbändern zu kommen. Das Terminal ähnelte mehr einem Labyrinth als sonst was. Es schien so, als ob die Abzweigungen kein Ende nehmen wollten. Schließlich stand sie doch vor dem Gepäckband und die Koffer rollten schon an ihnen vorbei.
Nur Sekunden später hatte Sœlve schon ihren Koffer schon entdeckt und ihn sich geschnappt. In Geschäften war es immer sehr schwer einen Koffer zu bekommen, der nicht in diesem Standardschwarz war. Als sie das erste Mal mit Mia in den Urlaub fliegen wollte, musste sie sich einen neuen kaufen. Sehr schnell gab sie es auf eine andere Farbe zu finden, die besser zu ihr passen würde, und kaufte sich dann auch, wie alle anderen, einen Schwarzen. Mitten in der Nacht hatte sich Mia ihren Koffer genommen und ihn Smaragdgrün angemalt und mit einer wunderschönen schwarzen Fee verziert.
Mit einem gewaltigen Strahlen im Gesicht gab sie ihr am nächsten Morgen den Koffer. Wieder hörte Sœlve die Worte ihr in ihren Ohren nachklingen.
„Soo, der passt jetzt viel mehr zu dir!“
Bei jeder einzelnen Reise war Sœlve so unendlich dankbar für diese Tat. Zu ihrem Leid war in den letzten Jahren schon ein wenig von der Fee abgeblättert und musste irgendwann einmal nachgezeichnet werden.
Mit dem Koffer in der Hand eilte sie zum Ausgang, an dem Mia auf sie warten wollte. Der Weg kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Sie lief an unzähligen Geschäften vorbei, von denen die meisten schon geschlossen hatten. Sie hätte ja gerne noch eine Kleinigkeit für ihre beiden Freundinnen im Duty Free Shop gekauft, aber im Koffer hatte sie ja eh einiges dabei.
Endlich kam sie an der Schleuse an, die sich automatisch vor ihr öffnete. Sobald sie hindurch war sah sie sich um, um Mia zu entdecken. Fast sofort sah sie die türkisen Haare ihrer Freundin und stürmte auf sie zu. Diese sah sie auch sofort und Sœlve konnte sehen, wie sich auf ihrem Gesicht ein breites Lächeln ausbreitete. Beide fielen sich freudig in die Arme und nach einem sanften Kuss auf die Wange verließen sie das Terminal um zur Bahn zu gelangen.
Gemütlich folgten sie der Beschilderung und Mia nahm nach einiger Zeit Sœlves freie Hand in ihre Hand. So gingen sie händchenhaltend durch die Gänge bis sie zu einem großen Raum kamen, der an beiden Seiten und an der Decke aus Glas bestand. In der Mitte war ein Wartebereich mit mehreren Bänken. Jeweils an den Seiten waren die Gleise, die durch Glaswände und Glastüren vom Aufenthaltsbereich abgetrennt waren. Jedoch waren die Gleise nicht wie üblich auf dem Boden, sondern dicke Metallleitungen an der Decke. Weder Sœlve noch Mia kannten irgendeinen Flughafen, den man mit einer Magnetschwebebahn erreichen konnte.
Während sich die beiden gemütlich auf eine der freien Bänke setzten, um auf die nächste Bahn zu warten, hörte Sœlve wieder das Geräusch, als würde ein Streichholz direkt hinter ihr angezündet werden. Sie sprang auf und schaute sich um, sah aber nichts.
Ihre Freundin sah sie nur mit einem verwirrten Blick an und fragte sie dann, ob alles in Ordnung sei.
„Ja hast du das denn gerade nicht gehört?”
„Was soll ich denn gehört haben?“, fragte Mia leicht skeptisch zurück.
„Na da war eben doch so ein Geräusch, als ob sich jemand ein Streichholz angezündet hätte…“
„Aber das ist doch nichts ungewöhnliches? Also bis auf die Tatsache, dass hier Rauchen verboten ist…“